Alte Friedhöfe haben mich schon immer fasziniert. Geheimnisvoll und geschichtsträchtig, oft überwuchert mit Pflanzen und wilden Blumen, höchst interessante Orte, finde ich. Nicht gruselig oder beängstigend, eher ein Ort, der einen in die Vergangenheit zurückversetzt. Als wir in London lebten, war der Friedhof von Highgate nicht weit entfernt und manchmal konnte ich meinen Mann zu einem idyllischen Spaziergang dort überzeugen. Der Friedhof von Highgate (“Highgate Cemetery”) wurde 1839 gegründet und wird als einer der “großartigen sieben Friedhöfe” bezeichnet, die am Rande von London’s Stadtzentrum gelegen sind. Er wird heute noch benutzt; das Grabmahl von Karl Marx ist eine seiner berühmtesten Ruhestätten, sowie das neuere aber unmarkierte Grab von George Michael.
Auch in Singapur gibt es alte Friedhöfe. Hier habe ich Jennifer Lim kennengelernt, die erstaunliche Arbeit leistet, um den Bukit Brown Friedhof zu erhalten. Mit Hilfe von zahlreichen Freiwilligen hat Jennifer Dutzende von alten, verlassenen Gräbern gereinigt und dadurch tausende von dekorativen Fliesen entdeckt, die zum Schmuck des Grabes verwendet wurden. Ich hatte schon einiges über Bukit Brown gehört und wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, bei einer von Jennifer’s Grabreinigungsaktivitäten mitzumachen. Was für ein Erlebnis!
Der Treffpunkt war am Waldrand, und schon bald hatte Jennifer uns tief in das dichte Gewächs des Jungels geführt. Ab und zu hielten wir an, um ein Grab zu reinigen oder bunte, außergewöhnliche Fliesen zu bewundern. Der Weg war schon lange verschwunden, aber wir liefen weiter durch die überwucherte Grablandschaft im Schatten der Bäume, bis wir eine große Lichtung erreichten. Hier lagen ca ein Dutzend große Grabstätten, die dem Dschungel bereits entrissen und gesäubert waren. Wir brauchten lediglich die Blätter fegen, während Jennifer uns mehr über die Architektur der Gräber und die Bedeutung der Kacheln und anderen Ornamenten erzählte. Eines der Gräber war das ihrer Urgroßeltern – ein idealer Ort, diesen erstaunlichen Ausflug am Samstagmorgen zu beenden.
Was für eine Überraschung, als Jennifer mich neulich fragte, ob ich an einem Interview teilnehmen möchte. Sie wollte gerne herausfinden, ob es vielleicht eine Feng Shui Verbindung zu den Motiven gibt, die auf den Grabfliesen verwendet wurden.
Das ist mein erstes Interview (!) und es hat viel Spaß gemacht, mich mit Jennifer über die Fliesen zu unterhalten. Wir konnten einige der Früchte und andere Feng Shui Symbole identifizieren, die in diesen malerischen Kacheln verwendet wurden. Das Interview kann hier angehört werden.
Gibt es eine Verbindung zwischen Grabstätten und Feng Shui?
Friedhöfe und Feng Shui sind schon seit Jahrtausenden verbunden. Es ist in Zusammenhang mit Grabstätten, als Feng Shui zum ersten Mal schriftlich erwähnt wurde. Der Ursprung von Feng Shui liegt darin, die ideale Grabstätte für eine Person zu finden. Das nennt sich “Yin Feng Shui” – Feng Shui für die Toten, woraus sich dann später “Yang Feng Shui” entwickelt hat, Feng Shui für die Lebenden.
Für die Chinesen ist es enorm wichtig, die bestmögliche Grabstätte zu finden, da sie glauben, dass die Verbindung zu dem Verstorbenen auch nach seinem Tod weiterbesteht. Die Seelen sind weiterhin verbunden und die Familie teilt ihr Karma über Generationen. Wenn der Körper oder die Knochen des Toten “richtig” zur Ruhe gelegt wurden, kann man die gute Energie nutzen und an seine Nachkommen weitergeben, um ihr Schicksal auf Erden zu verbessern. Im umgekehrten Fall, falls die Beerdigung ungünstig verlief und gewisse Bedingungen nicht eingehalten werden konnten, besteht die Gefahr, dass negative Energie an die Familienmitglieder weitergeleitet wird und zukünftige Generation belasten kann.
Merkmale einer glückbringenden Grabstätte
Die wichtigsten Merkmale der Umgebung sind Berge und Wasser. Eine mit Bäumen bewachsene Hügellandschaft ist besonders vielversprechend, mit einem Berg im Hintergrund, niedrigeren Hügeln an der Seite und einen Blick auf ein Tal im Vordergrund – umso besser, wenn sich hier ein See oder Teich befindet. Dies ist auf den gesamten Friedhof bezogen, nicht nur auf das einzelne Grab.
Es gibt aber noch andere Dinge zu berücksichtigen, wie zum Beispiel:
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- Die Grabstätte sollte Sonnenlicht haben, sonst könnte es sein, dass der/die Verstorbene wenige männliche Nachfolger bekommt und die weiblichen Nachfolger könnten ohne ersichtlichen Grund unglücklich sein.
- Grabstätten auf einem Bergrücken oder auf der Bergspitze sollten vermieden werden, denn das kann den Nachkommen ein hartes Leben bescheren.
- Vermeide Grabstätten, durch die Wasser fließt – das kann Krankheit für die Nachfahren bringen.
- Die Verstorbenen sollten nicht in der Nähe eines Baumes begraben werden, da die Wurzeln den Sarg erreichen und stören könnten.
- Ein Feng Shui Meister sollte den genauen Winkel berechnen, in dem der Verstorbene begraben wird, sowie einen glückbringenden Tag für die Beerdingung bestimmen.
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Schon gewußt?
Ursprünglich war der Friedhof in Bukit Brown in der typisch englischen (bzw westlichen) Art angelegt, mit geraden Linien von Gräbern und Wegen. Dies war bei den einheimischen Chinesen jedoch sehr unbeliebt, da sie ihren stark verwurzelten Traditionen der Grabwahl und Grabposition folgen wollten. Sie bevorzugten eine Grabposition an einen Hügel angelehnt und mit einem ungestörten Ausblick nach vorne, und die hügelige Bukit Brown Landschaft bot genau das. Glücklicherweise lenkten die Behörden schnell ein und somit entstanden Gräber in kreisförmigen Reihen um die Hügel, da sich jeder eine Grabstätte mit seiner besten Blickrichtung aussuchen konnte – je höher am Hügel desto besser! Dies lag jedoch auch am Budget der Familie, denn der Ausblick von der Spitze des Hügels war natürlich besser und somit auch teurer.
Prachtvolle Kacheln vom Bukit Brown Friedhof:
Ich bewundere die Hingebung und Leidenschaft, mit der sich Jennifer ihrem Singapur Kulturerbe Projekt widmet. Schaut doch nur mal diese wunderschönen Fliesen an, die Jennifer entdeckt hat!
Umgeben von hübschen Blumenfliesen steht der farbenprächtige Pfau im Mittelpunkt. Der Symbolismus von Feng Shui betrachtet den Pfau als irdische Erscheinung des himmlischen Phoenix, der zu Ruhm und Anerkennung verhelfen kann. Der Pfau verstärkt außerdem die Wahrnehmungskraft und dient auch als Schutzsymbol.
Diese Fliese, die einen jungen Mann darstellt, der eine Art Flöte spielt, während zwei Hunde von einer Schüssel trinken, ist eine der ungewöhnlichsten Kacheln, die Jennifer entdeckt hat. Dekorative Motive von Menschen sind extrem selten als Grabschmuck, besonders für ein chinesisches Grab. Die Fliesen kommen aus Europa. Die Farbe blau ist oft mit Trauer verbunden, mehr konnte Jennifer bisher leider noch nicht über die Bedeutung dieser Kachel herausfinden.
Blumenmotive sind sehr beliebt. Diese Kachel ist jedoch etwas ungewöhnlich aufgrund der grünen Farbtöne. Bemerkenswert ist die Anordnung der Blätter, durch die ein eckiges Design entstand, das durch den Hintergrund zusätzlich betont wird.
Kurze Fakten:
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- Jennifer und ihre Teams haben über 2.000 Fliesen im Bukit Brown Friedhof gereinigt.
- Die Fliesen sind teilweise über 100 Jahre alt!
- Insgesamt mehr als 100 Freiwillige halfen Jennifer bei Grabreinigungsbesuchen über einen Zeitraum von 5 Monaten.
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Das Interview mit Jennifer hat mich dazu inspiriert, diesen Blog zu schreiben und ich hoffe das Lesen hat Spaß gemacht.
Falls Sie mehr über Jennifer Lim, ihre Kunst und ihr Kulturerbeprojekt “Singapore Heritage Tile Project” erfahren möchten, schauen Sie sich bitte ihre Webseite hier an. Dort können Sie auch Jennifer’s Kalender mit Fotos der ungewöhnlichsten Fliesen entdecken (on-line bestellbar), sowie ihr Buch, das in Arbeit ist.